Quo Vadis Familien-Sport-Gemeinschaft

Seit ich die Führungsgremien verschiedener Organisationen kennengelernt habe und die Möglichkeit erhielt, ihr Verhalten zu beobachten und meine Rückschlüsse auf die dem Verhalten zugrundeliegende Persönlichkeit zu ziehen erscheint es mir wichtig, vor der bevorstehenden Wahl des FSG-Präsidenten bei Beurteilung der Kandidaten das Augenmerk der für die Wahl zuständigen Personen auf verschiedene Punkte zu richten.


Nein, ein ausgebildeter Psychologe oder Psychiater bin ich keineswegs. Ich habe mir allerdings im Verlaufe meines Lebens einiges angelesen und glaube, dass der gesunde Menschenverstand nach wie vor eine nicht zu unterschätzende Messlatte darstellt.


Eine Bekannte sagte einmal abfällig, dass alle, die sich um ein Führungsamt bewerben würden in Grunde Narzissten seien. Da ich damit eher einen extremen Schönling assoziierte, schob ich dies zunächst beiseite. Ich musste mich jedoch belehren lassen, dass ein zwanghaft geziertes Aussehen nur eine mögliche Facette einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung darstellt. Zudem erklärte mir ein im Personalwesen beruflich tätiger Freund, dem ich die oben genannte Bezeichnung sagte: „Narzissmus ist nur ein Teil, ein Puzzleteil des Ganzen. Das ist eigentlich halb so schlimm. Ernster sieht es da bei einer dunklen Triade aus.“


Der Begriff war mir unbekannt, und mein Freund verwies mich auf ein Standardwerk: „Die dunkle Triade der Persönlichkeit in der Personalauswahl“ von Dominik Schwarzinger (Hogrefe-Verlag, ISBN 978-2-8017-3014-7). Das Studium dieses Buches erwies sich als hochgradig interessant, denn es zeigte nicht nur eine mögliche Erklärung für die Verhaltensweisen etlicher Führungspersonen, sondern auch für die Faszination, welche eine derartige Persönlichkeit ausstrahlt und dafür sorgt, dass eine eigentlich charakterlich ungeeignete Person von vernünftigen Menschen in ein hohes Amt gewählt werden kann. In den USA ist es Donald Trump gelungen, in Ungarn, Polen und Russland sieht es auch kaum anders aus.


Diese dunkle Triade besteht aus drei Komponenten

  1. Narzissmus,
  2. Machiavellismus und
  3. subklinischer Psychopathie,

welche ich nachfolgend anhand des o. g. Buches erläutern möchte.


1. Narzissmus


In der 5. Auflage des “Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders” der American Psychiatrist Association (DSM-5, ©2013) wurden insgesamt neun Kriterien zur klinischen Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung aufgelistet. Diese wurde beschrieben als „Ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit (in Fantasie oder Verhalten), Bedürfnis nach Bewunderung und Mangel an Empathie. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter, und das Muster zeigt sich in verschiedenen Situationen.“ Nach der Auffassung der führenden amerikanischen Psychiater liegt eine solche vor, wenn fünf der neun nachfolgenden Kriterien erfüllt sind.


  • Hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (z. B. übertreibt die eigenen Leistungen und Talente; erwartet, ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden, hält sich für unersetzlich oder meint, als einziger eine bestimmte Aufgabe erfüllen zu können)
  • Ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe (z. B. dass er jeden Erfolg von vorneherein voraussetzt und Misserfolge abstreitet oder dem siegreichen Konkurrenten Betrug und unredliches Verhalten unterstellt)
  • Glaubt von sich, „besonders und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder angesehenen Personen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können“ (d. h. er spricht idR nur mit einer bestimmten Anzahl von Personen ‚normal‘ und redet mit den anderen herablassend und/oder nicht mehr als unbedingt nötig)
  • Verlangt nach übermäßiger Bewunderung (d. h. er verbittet sich Kritik an seiner Person oder seinem Verhalten und betrachtet diese grundsätzlich als Beleidigung der Institution, die er vertritt)
  • Legt ein Anspruchsdenken an den Tag (d. h. übertriebene Erwartungen an eine besonders bevorzuge Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen, z. B. dass Gesetzes- oder Verfassungsänderungen automatisch gebilligt werden, weil sie von ihm/ihr stammen oder gewollt sind)
  • Ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch (d. h. zieht Nutzen aus anderen, um die eigenen Ziele zu erreichen, und lässt sie anschließend fallen wie die sprichwörtliche ‚heiße Kartoffel‘)
  • Zeigt einen Mangel an Empathie; ist nicht willens, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren (z. B. redet nicht nur herablassend mit Personen, sondern auch herablassend und abfällig über sie mit Dritten, um die Person bewusst zu verletzen)
  • Ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn/sie (was schwer zu erkennen ist, sofern der Betreffende dies nicht artikuliert)
  • Zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen (verbittet sich z. B jede Art von Belehrung, ignoriert jede Netikette oder nimmt Erfolge anderer für sich in Anspruch, kurz: er/sie fordert Respekt und die Einhaltung von Regeln von anderen, beachtet dies aber selbst nicht).


2. Machiavellismus


1513 veröffentlichte Nicolo Machiavelli sein Traktat „Il Principe“, in welchem er die die Kriterien einer erfolgreichen Herrschaft von Fürsten verglich und quasi eine to-do-Liste erstellte. Diese beinhaltet neben Ansichten zur Natur des Menschen in erster Linie den seiner Meinung nach gebotenen Regierungsstil zum Erhalt der (Allein-)Herrschaft. Dem Menschen sei nicht zu trauen, da er undankbar und selbstsüchtig seine Ambitionen verfolgt. Der Herrscher muss – will er seine Macht erhalten – bereit sein, jede erdenkliche Strategie einzusetzen, darunter auch Manipulation, Lügen und Schmeicheleien. Quintessenz seiner Ratschläge ist „der Zweck heiligt die Mittel“.


Machiavellisten haben zynische Ansichten über andere Personen und auch die eigenen soziopolitischen Möglichkeiten. Trotzdem agieren sie nicht offen aggressiv oder feindselig, sondern im Gegenteil mit emotionaler Abgeklärtheit; in Konfliktsituationen bleiben sie ruhig. Vor allem zu verschiedenen Formen der Manipulation wie Überredung, Selbstoffenbarung, Anbiederung, Lügen und Betrug scheinen Machiavellisten tatsächlich stärker zu neigen und besser darin zu sein. Zudem vermag der stärkere Machiavellist schwächere „Artgenossen“ zu überzeugen und für seine Zwecke einzuspannen. Als Kernmerkmale des Konstrukts können also eine zynische Sicht anderer Menschen, rücksichtslos-strategisches Verhalten sowie emotionale Distanziertheit und Abgeklärtheit festgehalten werden. Mit anderen Worten: der Machiavellist ist eiskalt, zynisch und rücksichtslos; die Bedürfnisse anderer interessieren ihn/sie nicht im Geringsten. Er/sie geht notfalls buchstäblich über Leichen, um seine/ihre Ziele zu erreichen. Das Problem dabei ist, dass diese Brutalität und Rücksichtslosigkeit von anderen Personen zumeist als energisches und tatkräftiges Handeln angesehen werden kann, was den Machiavellisten in seinem/ihrem Vorgehen noch bestärkt. Er/sie wird sich also nicht bessern, sondern in seinem Verhalten nur noch schlimmer werden.


3. Psychopathie

Hier noch einmal zur Klarstellung: ich bin kein Psychiater und werde niemals jemandem eine Persönlichkeitsstörung diagnostizieren. Das steht mir nicht zu, sondern nur entsprechend ausgebildeten Personen, und auch dann nur auf Grundlage eines Tests nach wissenschaftlichen Kriterien. Allerdings darf ich durchaus Verhaltensweisen schildern, die auf eine subklinische (also klinisch nicht oder nur schwer erkennbare) Psychopathie hindeuten können.


Zunächst einmal zur Begriffsbestimmung: das Wort setzt sich aus den griechischen Begriffen Psyche (Seele) und Pathos (Krankheit) zusammen und wurde lange als Sammelbegriff für alle Arten von Persönlichkeitsstörungen verwendet. Die aktuelle wissenschaftliche Begriffsauffassung hebt allerdings einen zentralen Unterschied hervor – den der (scheinbaren) geistigen Gesundheit des Psychopathen.


Der Grund für die Entstehung von Psychopathie ist derzeit ungeklärt. Neuere Forschungen untersuchen hirnanatomische Veränderungen ebenso wie Umwelteinflüsse oder Vererbung. Heutiger Goldstandard zur Messung von Psychopathiefaktoren bildet die 2003 von Hare entwickelte Psychopathy Checklist (PCL), die auf 4 Facetten beruht:

  • Ein betrügerischer interpersoneller Stil (gezeigt z. B. durch sprachliche Gewandtheit/oberflächlichen Charme, übersteigertes Selbstwertgefühl, pathologisches Lügen oder betrügerisches/manipulatives Verhalten)
  • Affektive Defizite/emotionale Kälte (gezeigt u. a. durch Mangel an Reue oder Schuldgefühle, geringe Empfindungsfähigkeit, Herzlosigkeit/Mangel an Empathie oder fehlende Verantwortungsübernahme für das eigene Handeln)
  • Impulsiver, verantwortungs- und zielloser Lebenswandel (gezeigt durch das Bedürfnis nach Stimulation, Neigung zu Langeweile, parasitärem Lebenswandel, den Mangel an realistischen, langfristigen Zielen, Sprunghaftigkeit und Verantwortungslosigkeit)
  • Kriminelle, antisoziale Vorgeschichte (z. B. in Form schwacher Verhaltenskontrolle, frühen Verhaltensauffälligkeiten, Jugenddelinquenz, Widerruf einer bedingten Entlassung oder krimineller Vielseitigkeit). Dieser Faktor wird jedoch nur bei den „erfolglosen“ Psychopathen sichtbar. Ein erfolgreicher Psychopath bleibt teilweise über Jahrzehnte hinweg unbemerkt.

Die amerikanischen Psychiater zogen aus den genannten Faktoren interessante Rückschlüsse. Sie stellten fest, dass von der dunklen Triade betroffene Personen leichter in Führungspositionen gelangen können als ‚Normalmenschen‘. Durch ihr energisches, rücksichtsloses Verhalten scheinen sie zunächst erfolgreicher als andere, und auf kurze Sicht scheint sich dies auch für die von ihnen vertretenen Organisationen auszuzahlen. Sobald der wahre Charakter der Führungskraft jedoch erkannt wird, wenden sich die Geschäfts- und Vertragspartner jedoch von der Organisation ab, sodass ihr Einfluss und Wert sinken. Zudem fällt die Leistungsfähigkeit rapide ab, da die von der Führungskraft schlecht behandelten Mitarbeiter immer weniger motiviert sind und im schlimmsten Fall die Arbeit einstellen.


Fazit:


Egal wer wir sind und was immer wir gelernt haben, wir können Kandidaten für ein Führungsamt nur vor den Kopf gucken. Allerdings sollten wir uns bei der Entscheidung nicht von markigen Sprüchen und energischem Auftreten blenden lassen, sondern genau beobachten und versuchen, hinter die Worte zu sehen, die sich nur allzu häufig als hohle Phrasen entpuppen. Nur zu oft in der Geschichte hat sich ein selbsternannter „Retter des Vaterlandes“ als jemand erwiesen, der nur sein eigenes Wohl im Kopf hatte und auf das Wohlergehen seines Volkes pfiff. Aus diesem Grunde sollten Kandidaten nicht nach der Lautstärke ihrer Worte, sondern nach der tatsächlichen Bedeutung beurteilt werden, und wenn Forderungen erhoben und Postulate erstellt werden, die sich im ersten Moment beeindruckend anhören sollte darüber nachgedacht werden, welche (langfristigen) Auswirkungen ihre Umsetzung haben werden. Wie auch immer: die Entscheidung über die Kandidaten wird beim Verbandstag im November fallen. Ich kann nur hoffen, dass die Delegierten weise und besonnen wählen werden, damit nicht später gesagt wird: ach, hätten wir doch mal genauer nachgedacht.



Günther Hedderich

- Präsident -


Diesen Bericht bitte ich als öffentlichen Diskurs zu betrachten und bitte um Mitteilung Eurer Meinung.

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